Die Roisdorfer Quelle – 2000 Jahre Rheinische Wassergeschichte

Offenbar kannte und schätzte man diesen Brunnen bereits in römischer Zeit. Was zunächst nur Vermutung war, bestätigte sich in in den 1830er Jahren, als man im Brunnenschacht erstmals römerzeitliche Münzen und Keramik fand, die man als Weihegaben und Opferschalen deutete. Der Name Roisdorf wird von Lokalhistoriker Horst Bursch als Anzeichen für eine römische Siedlung gewertet. Er leitet das „Rois“ von „russeus“ ab, was soviel wie „rostrot“ bedeutet. „Ad fontem russeam“ – zum rostroten, weil eisenhaltigen, Brunnen – könnte die Siedlung geheißen haben, die sich am Brunnenplatz befand.

Die große Stunde des Roisdorfer Brunnens schlug erst sehr viel später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Es war eine Zeit, in der sich Mineralwasser als Heilmittel einer zunehmenden Wertschätzung erfreute, in der die Fürsten des Reichs, auf deren Territorien sich Mineralquellen befanden, einander im Ausbau von Kurorten und im Aufbau des lukrativen Versands des Wassers überboten.

Der „Entdecker“ des Roisdorfer Brunnens war ein Medizinstudent der königlich- brandenburgischen Universität zu Duisburg: Franz Wilhelm Kauhlen, Sohn einer großbäuerlichen Familie. Er promovierte im Jahre 1774 über die Roisdorfer Mineralquelle und pries hier die besonderen Vorzüge und den hohen gesundheitlichen Wert des kostbaren Wassers. Das Roisdorfer Wasser war somit in seiner Qualität mit allen bekannten und berühmten Wässern vergleichbar. Zusätzlich war die kurkölnische Residenzstadt Bonn nahe gelegen und die Nähe zu Köln, dem Niederrhein und Holland versprach gewinnbringende Absätze. Kapitelkräftige Interessenten waren nach der Dissertation von Wilhelm Kauhlen schnell gefunden. Die Quelle wurde eingefasst und ab dem 01. Januar 1775 begann die Abfüllung und der Vertrieb des Brunnenwassers, kritisch beäugt von den etablierten Brunnen in Niederselters und Fachingen, wo man eine neue kurkölnische Konkurrenz befürchtete. Die für den Versand erforderlichen Steinzeugflaschen bezogen die Roisdorfer Pächter aus dem Westerwald. Als Versandbrunnen hatte der Roisdorfer Brunnen schnell Erfolg – so florierte der Versand vor allem in Richtung Niederrhein und Holland und von dort aus nach England und nach Übersee in die neue Welt, aber auch in östlicher Richtung nach Russland prächtig. Roisdorfer Wasser war neben dem Rotwein und den Rebensetzlingen des Vorgebirges ein florierender Exportartikel.


Wirtschaftsgebäude und Kurpark 1840

Parallel zu dem weltweiten Mineralwasserhandel gab es aber auch einen Kurbetrieb. Der Ort schien hierfür wie geschaffen zu sein: Wein- und Obstanbau, mildes Klima, günstige Verkehrslage nahe des Rheins und der befestigten Rheintalstraße.


Brunnen und Parkanlage um 1840

Der Roisdorfer Brunnen entwickelte sich zu einem beliebten Ausflugsziel der Bonner und Kölner Bevölkerung, die das Wasser an der Quelle selbst genießen wollte. So ist z.B. auch für die Familie des Sängers am Kurkölnischen Hof Johann van Beethoven nachgewiesen, dass sie gerne Sonntags Ausflüge in die Umgebung der Residenzstadt Bonn unternahm, unter anderem auch zum Brunnen nach Roisdorf.

Hier kann davon ausgegangenen werden, dass auch sein berühmter Sohn Ludwig van Beethoven bereits in seiner Kindheit Roisdorfer Wasser trank und den beliebten Kurpark besuchte. Nach der französischen Besatzungszeit zwischen 1794-1813 erlebte der Roisdorfer Brunnen einen Aufschwung mit einem steigenden Wasserversand, aber auch eine deutliche Steigerung der Anzahl von von Kurgästen in früher preußischer Zeit. Unterstützend für diese Entwicklung war die Anbindung von Roisdorf im Jahr 1844 an die neu eröffnete Strecke der „Bonn-Cölner-Eisenbahn“. Das Stationsgebäude lag in unmittelbarer Nähe zum Roisdorfer Brunnengelände und Kurpark. Im Zuge dieser Entwicklung entstand dort ein neues Kurhaus im klassizistischen Baustil und ein Kurhotel für die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland. Der Versand des hochgeschätzten Brunnenwassers in alle Welt, bis nach Übersee, steigerte sich von Jahr zu Jahr. Der Mineralbrunnen kam erst wirklich in Schwung, als man sich ab 1876 ganz auf die Abfüllung und den Versand des Wassers konzentrierte und dies in industrieller Weise betrieb. Dabei blieb der Zugang zum Brunnen den Roisdorfern stets grundsätzlich erlaubt und auch möglich.


"Roisdorfer natürlich" - Der Mineralbrunnen als Industriebetrieb

Wenn heute am Giebel des Brunnenhauses die Jahreszahl „Anno 1876“ zu lesen ist, so markiert dies das Jahr, in dem ein neuer Pächter die Mineralquellen übernahm, ein Mann, der die weitere Entwicklung des Roisdorfer Brunnens entscheidend prägen sollte: Wilhelm Custor war Apotheker in Köln, Vorstandsmitglied der Deutsch-Österreichisch- Schweizerischen Mineralquellen- Vereinigung und Gründer und langjähriger Besitzer der ersten Mineralwasserhandlung in Köln. In den geschäftlichen Mitteilungen des Jahres 1876, in denen er die Übernahme anzeigte, verwies Custor darauf, dass die Roisdorfer Quelle berühmt sei und eine Preis-Medaille der Internationalen Ausstellung im Jahr 1865 erhalten hat. Custor gab sehr schnell sämtliche Kurort-Aktivitäten auf und konzentrierte sich vollständig auf den Verkauf von Mineralwasser. Die Füllung des Wassers geschah, wie bereits bei Custors Vorgängern in den 1860er Jahren, in Krügen und Glasflaschen. Die Krüge enthielten Wasser in einfacher Füllung, d.h. so, wie es aus der Quelle sprudelte, während den Flaschen Kohlensäure direkt aus der Quelle zugepresst wurden.

Eine vollständige Übersicht über die von Custor am Roisdorfer Brunnen errichteten Gebäude liefert die Festschrift, die er 1901 aus Anlass seines 25-jährigen Firmenjubiläums im Druck herausgab. In aufwändigem Kupfertiefdruckverfahren ließ er 12 Fotographien der einzelnen Räume und Hallen reproduzieren, ein bedeutendes Beispiel der Industriefotographie dieser Zeit, wie es für keinen anderen Mineralbrunnen vorliegt. Bis heute sind die Fotographien als Illustrationen für entsprechende Fachliteratur sehr begehrt. Auf ihnen wird die gesamte Abfüllung und der Versand des Mineralwassers dokumentiert und man so einen historischen Blick in den Quellen- und den Füllraum werfen. Im Packraum wurden Flaschen für den Versand in Kisten gepackt. Die Bestimmungsorte waren hier z.B San Francisco, New York, Paris oder Moskau.


Der Roisdorfer Mineralbrunnen im 20. Jahrhundert bis heute

Der Betrieb wurde ständig erweitert. 1928 z.B. zählte man täglich 50.000 bis 60.000 Flaschen, die den Brunnen verließen. 120 Personen waren damals in Sommerzeit am Brunnen beschäftigt, im Winter waren es bedeutend weniger, nur während der Karnevalswochen hob sich jedes Mal der Verbrauch.

Die Marke „Roisdorfer“ behielt ihren guten Ruf, neue Produkte wie Limonaden füllten die Glasflaschen, welche die Keramikkrüge seit dem Ersten Weltkrieg gänzlich verdrängt hatten. Fürst Franz-Josef zu Salm-Reifferscheidt-Dyck übernahm 1948 die Firma unter dem Namen „Roisdorfer Brunnen Fürst Salm & Co.“ in eigener Regie. „Roisdorfer natürlich“ war der bewusst doppeldeutige Werbespruch des Hauses, der auch eine stolze Flotte von Lastwagen zierte. Das Jahr 1971 brachte einen bedeutenden Einschnitt in der Firmengeschichte mit sich: Die „Artus-Mineralquellen GmbH & Co KG Bad Hönnigen“ übernahmen die restlichen Anteile der „Roisdorfer Brunnen Fürst Salm & Co.“ 1996 wurden die Artus-Mineralquellen samt dem Roisdorfer Brunnen dann von der VMH, der „Vereinten Mineral- und Heilquellen GmbH“ in Rosbach übernommen. Seit dem Jahr 2008 befindet sich die Roisdorfer Quelle im Besitz des Kölner Familien-Getränkebetriebes Boecken.

Text - und Bildmaterial mit freundlicher Unterstützung durch das Stadtarchiv Bornheim und durch die Heimatfreunde Roisdorf e.V.